Jahresbericht 2018
Damit es den Jungen echte Perspektiven im eigenen Land bieten kann, muss sich das Berufsbildungssystem Albaniens reformieren. Swisscontact trägt dazu bei, Berufsschulen und Privatwirtschaft besser zu vernetzen und die Berufsausbildung besser auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes abzustimmen.
In Tirana gibt es eine Strasse namens Rruga Skënderbeg, aber alle nennen sie nur die «Botschaftsstrasse», weil sich eine ausländische Vertretung an die andere reiht. Morgen für Morgen bilden sich Menschentrauben vor den Eingängen der Botschaften. Zu wenige Möglichkeiten sehen diese Leute für sich und ihre Familie im eigenen Land, zu sehr verlocken die Verheissungen Westeuropas.
Auch das Büro von Swisscontact Albanien befindet sich in der «Botschaftsstrasse». Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen so tagtäglich vor Augen geführt, welche Herausforderung es zu meistern gilt: berufliche Perspektiven in Albanien schaffen. Den Jungen fällt der Einstieg in den Arbeitsmarkt besonders schwer. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren zwar etwas gesunken, mit 23 Prozent aber immer noch sehr hoch.
Ein Grund dafür ist, dass an den Berufsschulen und Universitäten nicht diejenigen Kompetenzen gelehrt werden, die in der Privatwirtschaft nachgefragt sind. Mit dem Projekt «Skills for Jobs» will die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA die Qualität des albanischen Berufsbildungssystems verbessern. Für die Umsetzung des Projekts hat sie Swisscontact beauftragt. Swisscontact hat 25 Jahre Erfahrung in Albanien und konnte bereits in der Vergangenheit Reformen begleiten. «Skills for Jobs» soll nun gezielt die Qualität und den Status der Berufslehre verbessern, mehr junge Frauen und Männer an die Berufsschulen bringen und die Ausbildungen sollen gut auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Dazu ist ein enger Austausch mit der Privatwirtschaft unumgänglich.
Das Team von Swisscontact arbeitet dafür mit sieben Anbietern von Berufsausbildungen in verschiedenen Regionen des Landes zusammen. Vor dieser Zusammenarbeit bestanden in den Schulen keine Verbindungen zur Privatwirtschaft. Die Lehrpersonen kamen meist direkt von der Universität; sie konnten den Schülerinnen und Schülern keine Praxiserfahrung vermitteln. Ein wichtiges Element von «Skills for Jobs» ist deshalb die Verknüpfung von Schulen und Unternehmen. Das braucht Zeit. Schulen und Unternehmen müssen zuerst lernen, sich zu vertrauen. Neue, moderne Lernmethoden erarbeiten die Lehrpersonen und Schuldirektoren in einem kollaborativen Prozess mit dem Projektteam. Noch ist diese Entwicklung auf die wenigen Partnerschulen beschränkt. Der Plan ist, dass andere Schulen die Erfolge wahrnehmen und nachziehen.
Und sehen lassen können sich die Erfolge durchaus: Die Partnerschulen konnten in den drei Jahren, in denen sie mit Swisscontact zusammenarbeiten, 30 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler gewinnen. Das stellt sie wiederum vor andere Herausforderungen. Doch die Motivation der Lehrpersonen, Direktorinnen und Direktoren zur Veränderung, am Anfang des Projekts noch verhalten, ist heute deutlich spürbar. Auch die Unternehmerinnen und Unternehmer sind voller Tatendrang, bieten Lehrstellen an, tauschen sich mit den Schulen aus und nehmen an deren Aktivitäten teil. Noch steht Swisscontact als Bindeglied dazwischen, vernetzt, verknüpft, vermittelt. Wenn die Abläufe selbstverständlicher werden, wird diese Rolle überflüssig werden und Swisscontact kann sich zurückziehen.
Seit 2017 unterstützt das Programm «Skills for Jobs» in Albanien sechs Berufsschulen und zahlreiche Unternehmen dabei, das Modell der Berufslehre in Albanien zu erproben. Gemeinsam mit den Unternehmen hilft das Projekt den Schülerinnen und Schülern, sich mit der Arbeitswelt vertraut zu machen. Dadurch können sie die fachlichen Kompetenzen während der Berufsschulzeit erwerben, die später auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Die Berufslehre in Albanien ist vom Schweizer Modell inspiriert. Als Grundlage für die Konzeption dienten auch die in den DACH+-Ländern geltenden Richtlinien für Lehrlingsausbildung.
Die folgenden sieben Aspekte machen das Modell der Berufslehre in Albanien erfolgreich.
Basis für das Modell der Berufslehre in Albanien ist ein breites Netzwerk von Partnerunternehmen. Die Schulen haben alle eine Funktion geschaffen, die für den Aufbau und die Koordination dieser Beziehungen zuständig ist. Sie ist Teil der «Career Centers» (siehe Punkt 5). Die Schulen sprechen aufgeschlossene Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber an, die in der Zusammenarbeit einen gegenseitigen Nutzen sehen.
Die Berufsschulen zielen insbesondere darauf, die Branchenführer in ihrer Region anzuziehen. Dies ist ein zentraler Punkt für den Erfolg des Modells Berufslehre: Die Schulen wollen sich mit jenen Unternehmen zusammenschliessen, die eine klare Zukunftsvision haben und die bereit sind, in weiteres Wachstum zu investieren.
Elementar für eine erfolgreiche Berufslehre ist, dass alle Beteiligten einbezogen werden und ihren Nutzen daraus ziehen können:
• Die Schülerinnen und Schüler verbessern durch die Ausbildung ihre Fähigkeiten.
• Die Unternehmen investieren in die Ausbildung ihrer zukünftigen Arbeitskräfte.
• Die öffentlichen Berufsbildungseinrichtungen tragen dazu bei, den Aufwand an öffentlichen Mitteln für die praktische Ausbildung zu verringern.
Vor dem Start von «Skills for Jobs» erfolgte die praktische Ausbildung in Form von kurzen Praktika. Um dem Engagement und den Bedingungen der Unternehmen besser gerecht zu werden, konzipierte das Projektteam jetzt ganzjährige Ausbildungsplätze.
Die Partnerschulen und das Projektteam haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen in Albanien ein Umfeld schaffen, in dem die Berufslehre zum Selbstläufer wird. Die Bemühungen, die dazu führen, sind vielfältig: Projektteam und Schulen sensibilisieren alle involvierten Anspruchsgruppen, arbeiten mit den Arbeitsämtern zusammen, um die Lehrverträge zu erstellen, sie entwickeln Instrumente für Lehrerinnen und Lehrer, die es ihnen ermöglichen, die Ausbildung der Lernenden zu kontrollieren und vieles mehr.
«Skills for Jobs» hat die Einrichtung sogenannter Career Centres in jeder Partnerschule unterstützt. Diese Stelle übernimmt eine verbindende Rolle im dualen Ausbildungsprozess: Sie baut das Netzwerk der Schulen zu den Unternehmen auf, sie organisiert verschiedene Aktivitäten, um Schülerinnen und Schüler mit der Arbeitswelt in Kontakt zu bringen, und sie steuert die Vorstellungsgespräche zwischen den Jugendlichen und den Unternehmen. Darüber hinaus betreiben die Career Centres auch Öffentlichkeitsarbeit für ihre Ausbildungsangebote. Die Ziele dieser Aktivitäten sind einerseits, dass sich mehr Jugendliche an den Berufsschulen einschreiben, andererseits auch, dass die zukünftigen Schülerinnen und Schüler besser wissen, was sie in der Lehrzeit erwartet. 2017 fand die Idee der Career Centres unter dem Namen «Development Unit» sogar in das lokale Berufsbildungsgesetz Eingang.
Die Unterstützung von Eltern und Familienangehörigen ist während der ganzen Ausbildung sehr wichtig. Je engagierter die Eltern sind, desto besser sind die Chancen, dass die Ausbildung für einen Schüler gut verläuft. Bislang gab es in Albanien wenig Bemühungen, Eltern in das Schul- und Arbeitsleben der Schülerinnen und Schüler einzubinden. Das Projekt «Skills for Jobs» wird zukünftig gemeinsam mit den Schulen noch stärker in diese Richtung arbeiten.
Die Ausbildung von Lehrmeisterinnen und Lehrmeistern ist eine von vielen Massnahmen, die das Projekt ergreift, um die Qualität der Ausbildungen zu sichern und sie für alle Beteiligten zum Erfolg werden zu lassen. Gehen die Lehrmeister auf die Jugendlichen ein, fördert dies ihre Einsatzbereitschaft, einen substanziellen Beitrag für das Unternehmen zu leisten.
Swisscontact schafft Möglichkeiten – Möglichkeiten für Jugendliche in Albanien, eine Ausbildung zu absolvieren, die ihnen gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Diese Möglichkeiten auch zu ergreifen, liegt in der Verantwortung der jungen Frauen und Männer, indem sie sich z.B. auf Lehrstellen bewerben. Dieses Video zeigt, wie Kledia Prela aus Lezha diese Herausforderung gemeistert hat.
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